Hardware

Fuji X-H1 und Canon EOS R im Vergleich

In diesem Artikel stelle ich die Fuji X-H1 und die Canon EOS-R gegenüber. Wie ist das Handling, wie die Bildqualität? Welche Stärken und Schwächen bietet das jeweilige Modell?

Zum Hintergrund des Vergleichs

Ich komme ursprünglich aus der Canon Ecke. Nach einer EOS 20D habe ich zur 5D Mk II und danach zur 5D Mk III gewechselt. Im Anschluss erfolgte der Wechsel zu Fuji. Nach drei Jahren mit der X-T1, der X-T2 und zuletzt der X-H1 stellte sich bei mir aber immer wieder das Gefühl ein, dass ich bei Fuji nicht so recht ankommen will. Ich habe immer wieder mit dem vertrauten Canon-Workflow geliebäugelt. Einen Schritt zurück zu einer großen DSLR wollte ich jedoch auch nicht machen. Auch wenn eine DSLM für mich nicht bedeutet, das es grundlegend kompakt sein muss, so bietet mir das kleinere Gehäuse doch wenigstens die Option, unauffälliger unterwegs zu sein. Auch einen, guten, elektronischen Sucher, möchte ich inzwischen nicht mehr missen – auch wenn es eine Zeit gebraucht hat, bis ich den optischen Sucher vergessen machen konnte.

In diesem Artikel nun also meine Erfahrungsberichte zwischen den beiden Kameras, nachdem ich sie eine Woche parallel in gleichen Situationen getestet habe. Dabei ging es mir in erster Linie ums Handling. Ich bin kein Verfechter des Kleinbild-Formats. Ich halte APS-C eigentlich für die bessere und für mich mehr als ausreichende Option. Es ist faszinierend, was Fuji aus den X-Trans-Sensoren zaubert. Das zeigt auch die kleine Vergleichsstrecke später im Artikel. Leider gibt es aber neben Fuji keine wirklichen Alternativen.

PS: Das Thema Video werde ich nicht anschneiden. Ich nutze meine Kamera zum Fotografieren. Punkt.

Handling

Das Wichtigste ist für mich, dass ich die Kamera gut und gerne bediene. Wenn die Kamera in wichtigen Momenten «gegen mich arbeitet» dann läuft da was schief. Dieses Gefühl hatte ich bei Fuji häufig, obwohl ich mich wirklich ausgiebig mit dem System beschäftigt habe. Ich hatte mich sehr auf die EOS R gefreut und war dann doch nicht wenig ernüchtert, als ich sah, dass geliebte Bedienelemente wie Daumenrad oder Joystick zugunsten der Touch-Bedienung gestrichen wurden. Aber gut, Theorie ist das eine, Praxis das andere.
Die EOS R liegt ungewohnt, aber auch vertraut in der Hand. Nach kurzer Phase des Eingewöhnend beginnt man die Stärken und Schwächen schnell zu handhaben.

Verarbeitung und Ergonomie

Im direkten Vergleich wirkt die X-H1, die ich immer für eine toll verarbeitete Kamera gehalten habe, mitunter fast etwas billig. Die Knöpfe der EOS drücken sich satter, das Display wirkt robuster. Das soll aber nicht bedeuten dass die X-H1 schlecht verarbeitet sei. Überhaupt nicht. Vielleicht täuscht es auch einfach subjektiv, weil die EOS R neuer ist.

Der Griffwulst ist, gerade für größere Hände, toll ausgeprägt und liegt fantastisch in der Hand. Die Knöpfe sind größtenteils sehr gut erreichbar. Lediglich das D-Pad ist meines Erachtens eine Spur zu weit nach unten gerutscht. Beim Bedienen der Knöpfe (Funktionstasten) muss ich den Daumen für die untere Taste doch ein wenig verkrampft strecken. Dafür liebe ich es, dass das vordere Einstellrad nicht vorne, sondern oben an der Kamera platziert ist. Das war für mich schon immer ein großer Plus-Punkt von Canon. An diese Stelle komme ich mit meinem Zeigefinger viel unverkrampfter als an der vorderen Position, wie bei Fuji oder auch Nikon.

Das Verschieben des Fokuspunkts per Touchscreen ist zu Beginn störend und auch später mitunter etwas störrisch, so zieht hier und da der Fokuspunkt beim Heben des Fingers noch ein wenig nach. Nicht ständig, aber ab und an. In flüchtigen Momenten kann das ärgerlich sein, wenn der Fokus dann falsch sitzt. Zudem benötigt es etwas Fingerakrobatik, mit dem Daumen ein Fokusfeld ganz am linken Rand auszuwählen. Zwar lässt sich die Projektion konfigurieren, bei mir ist der rechte obere Quadrant des Displays die Steuerfläche für die gesamte Bildfläche, doch selbst da muss ich meinen Griff lockern um alle Ecken zu erreichen. Diesbezüglich empfinde ich den Joystick an der H1 viel angenehmer positioniert. Dafür lässt sich, allen Unkenrufen zum Trotz, der Fokuspunkt an der EOS R wirklich sehr schnell per Touch verschieben. Ein wenig Umgewöhnung, aber dann ist es eine spürbare Beschleunigung und Effizienzsteigerung. Mangels Minusgraden und/oder Nässe kann ich das Verhalten unter solchen Bedingungen noch nicht beurteilen, sehe aber bei einem nassen Display Probleme auf die Bedienung zukommen. Warme Handschuhe mit Touch-Funktionalität stehen jedenfalls schonmal auf meiner Einkaufsliste. Alternativ lässt sich der Fokus über das D-Pad steuern. Das ist aber langsam und aufgrund der oben genannten Positionierung des D-Pads eher suboptimal. Dafür gibt es die dritte Variante: Verschieben des Fokuspunkts über die beiden Einstellräder. Eines verstellt in horizontaler Position, das andere in vertikaler. Erstmal ungewohnt, dann aber auch ziemlich effizient – auch mit Handschuh und bei Nässe.

Auffällig ist, dass die Fuji besser auf eine Einhand-Bedienung ausgelegt ist: Der On-Off Schalter liegt als Ring um den Auslöser. Ich kann also in der rechten Hand die Kamera tragen und schnell ein- bzw. ausschalten. Bei Canon benötige ich die Linke Hand um das Rad zu drehen. Bei Fuji kann ich die gesamte Bedienung vornehmen, in dem ich den Daumen der rechten Hand verwende: Menü-Taste, Einstellung bestätigen, Zurück, etc. Bei der Canon liegt der Menü-Button ganz links oben. Auch hier benötige ich also beide Hände. Schade.

Klasse ist der neue Steuerring an den RF-Objektiven, bzw. Der Steuerring am entsprechenden Adapter für die EF (S) Objektive. Ich habe mir die Belichtungskorrektur darauf gelegt. Das klappt 1A und ist für meinen Workflow eine fantastische Bereicherung. Das empfand ich bei der X-H1 immer mühsamer: Knopf drücken, Rad drehen… irgendwie fummelig. Lediglich beim RF 24-105, dem Kit-Objektiv greife ich gerne noch daneben, zwischen Steuerring und Fokusring. Hier hätte ich mir etwas mehr Abstand bzw. Eine haitisch noch deutlichere Abgrenzung gewünscht. Aber je mehr Verwendung, desto treffsicherer klappt es auch hier.

Raffiniertere Details bei Fuji

Wenn man mehrere Jahre mit einem System gearbeitet hat, lernt man natürlich auch viele Vorteile daran kennen. Im direkten Vergleich habe ich an der Canon instinktiv versucht Dinge zu tun, die an der Fuji gingen – bei der Canon allerdings nicht. Klar, verschiedene Hersteller, verschiedene Konzepte. Dennoch merkt man meines Erachtens, dass sich die Ingenieure bei Fuji mitunter Gedanken gemacht haben, die den täglichen Workflow in kleinen Details erleichtern. Ein paar Beispiele:

  • Klick auf den Joystick öffnet die Fokusmethode. Mit dem hinteren Drehrad ändere ich flott die Größe des AF-Felds.
  • Eine fn-Taste lange drücken öffnet direkt das Einstellungsmenü der Tastenbelegungen.
  • Verschiedene, schnell erreichbare Auto-ISO-Einstellungen
  • Focus-Peaking ist bei Fuji auch in vergrößerter Ansicht möglich.
  • Focus-Peaking klappt bei Fuji auch, wenn ich im AF-Modus manuell korrigiere.
  • Der Batteriegriff der Fuji lässt sich im Netzbetrieb quasi im Dauerstrom betreiben. Das geht bei Canon nicht. (Dafür lässt sich bei Canon der Akku mit bestimmten Powerbanks auch unterwegs laden)

Einige Punkte lassen sich sicherlich durch ein Firmwareupdate nachrüsten. Was Canon tatsächlich tut, … abwarten. Kaizen gibts ja leider nur bei Fuji. Sollte ich bei diesen Beispielen eine Funktionalität der EOS R übersehen haben, schreibt mir das gerne in die Kommentare. Die Kamera und ich lernen uns auch erst noch kennen. 🙂

Intuitiver bei Canon

Während Fuji viele tolle Kniffe auspackt, die (teils) über Tastenkombinationen zu erreichen sind, finde ich das Handling bei Canon insgesamt dennoch intuitiver. Das mag an meiner Canon-Vergangenheit liegen. Aber alleine der Weg durch die klar strukturierten und aufgeräumten Menüs der EOS R verdeutlicht das ganz gut. Auch die klassische PASM-Bedienung (wenn auch ohne dediziertes Wahlrad) ist für mich schneller zu handhaben.

A apropos PASM. Canon hat ja auch den neuen Fv-Modus an Bord. Was soll ich sagen, das Ding ist grandios. Es mischt mehr oder weniger den vollautomatischen Modus mit dem manuellen Modus. Die Werte für Blende, Verschluss, ISO lassen sich entweder allesamt automatisch ermitteln, oder aber einzeln manuell anpassen. Mit einem Knopfdruck können ein oder mehrere Parameter wieder auf Automatik geschaltet werden. Am Anfang erst ungewohnt, aber nach einer Stunde fluppt das 1A und macht die anderen Modi weitestgehend obsolet. Hätte ich nicht geglaubt, ich bin von Grund auf eher skeptisch, aber: Daumen hoch, Canon!

Fokus und Geschwindigkeit

An dieser Stelle nicht viele Worte meinerseits. Ich fotografiere zu 80% im Single Autofokus. Der Canon AF ist blitzschnell, das RF 24-105 fokussiert dabei absolut geräuschlos. Das 16-55 an der Fuji ist ebenfalls sehr schnell, im direkten Vergleich ist das Canon aber der klare Punktsieger. Toll an der EOS R ist auch der Fokusassistent, der neben dem Focus-Peaking zur Verfügung steht. Dieser macht das manuelle Fokussieren enorm einfach und schnell.

Im Servo-AF (AF-C bei Fuji) klappt das Tracking nach ersten Tests auch sehr gut. Hier verweise ich aber auf diverse ausgiebige Praxisberichte, wie z.B. von Jared Polin. Unterm Strich: Die Serienbildfunktion ist kein Vorbild für die Klasse, aber er hatte nahezu keinen Ausschuss und war absolut zufrieden mit der Performance. Für reine Sportfotografen oder jene, die aufgrund hoher Geschwindigkeiten der Motive ein besonders rasantes Serienbild wollen, sind verhältnismäßig mit der Fuji X-H1 besser bedient.

Größe

Wie oben geschrieben, ist es mir wichtig, dass ich eine DSLM auch halbwegs kompakt einsetzen kann. Ich bin kein Freund von zu kleinen Kameras. Eine Fuji X-T20 wäre mir schon zu fummelig, bei einer Sony RX100x weiß ich garnicht, mit welchen Fingerspitzen ich sie bedienen soll… Aber ausschließlich große DSLR-Boliden mit fetten Scherben dran will ich mir auch nicht mehr antun. Nun ist es bei Canon noch nicht ersichtlich, wohin die Reise mit den nativen RF-Objektiven geht. Das 28-70 f2 ist qualitativ wohl über jeden Zweifel erhaben, leicht und kompakt ist es aber sicher nicht. Das 50mm f1.2 verdient die Bezeichnung handlich auch nicht. Die für mich besonders relevanten Objektive deckt das EOS-R System aber bereits gut ab, ohne dass ich große Kompromisse gegenüber Fuji eingehen muss.

35mm für Streetfotografie

Dafür ist das vorgestellte 35mm 1.8 STM genauso groß, wie das 23mm 1.4 von Fuji. (Größenvergleich auf externer Seite öffnen) Qualitativ scheint es, gemäß verfügbarer Beispielbilder, ebenfalls keine schlechte Wahl zu sein. Somit habe ich einen adäquaten Ersatz für die Street-Fotografie. 35mm sind ohnehin mein Immerdrauf. Passt also sehr gut für mich.

Standardzoom für Familienausflüge und schnelle Flexibilität

Als Standardzoom habe ich an der X-H1 das 16-55mm 2.8 verwendet. Hier habe ich einen adäquaten Ersatz im RF 24-105mm gefunden (Größenvergleich auf externer Seite öffnen). Durch das bessere Rauschverhalten der KB-Kamera kann ich die fehlenden zwei Blendenstufen gut kompensieren. Die Wirkung der Schärfentiefe ist in etwa gleich auf, die große beider Linsen ebenfalls. Zudem habe ich Beim Canon-Objektiv ein paar Millimeter mehr Brennweite nach oben. Klasse, genau die haben mir beim 16-55er (24-70 KB-äquivalent) nämlich öfter einmal gefehlt.

Makro

Als Makro-Linse habe ich mir das 100mm 2.8 IS L besorgt. Es ist, mit obligatorischem Adapter, eine Spur größer als das Fuji-Äquivalent. Da Makro für ich aber ohnehin ein spezieller Einsatz ist, bei dem ich bewusst losziehe, stören mich diese 2cm mehr an Länge nicht. Klein ist ja auch das 80mm Makro von Fuji nicht.

Was mir zum Glück noch fehlt wäre ein kompaktes 85mm 1.8. Dann wären meine Bedürfnisse super abgedeckt. Der Vorteil an Canon ist natürlich noch der immens große Objektiv-Fuhrpark. Von Tilt-Shift, über Fisheye, verschiedenste (Ultra)Weitwinkel, Telelinsen. Dann die tolle Sigma Art Linie, Tamron. Die Auswahl an Speziallinsen ist natürlich unschlagbar.

Kostenfaktor Objektiv

Ach ja, preislich sind die von mir genannten Linsen auch nicht teurer als jene von Fuji – auch wenn es letztere natürlich gebraucht schon günstiger gibt:


  • RF 24-105 f4 (1200€) vs. XF 16-55 2.8 (1150€)
  • RF 35 f1.8 (550€) vs. XF 23 1.4 (950€)
  • EF 100mm IS Macro 2.8(869€) vs. XF 80 Macro 2.8 (1299€)

Ich gehe zwar davon aus, dass Canon vorrangig die Entwicklung der klassischen L-Linsen (24-70 2.8, 70.200 2.8, …) vorantreibt, die entsprechend hochpreisig sein werden, allerdings sind auch neue Fuji-Linsen mit rotem Badge nicht unbedingt ein Schnäppchen, wie das zu erwartende 8-16mm 2.8 (ca. 2000€). Aber letztendlich ist das eine Glaskugel, mal sehen was sich da tut. Ich bin gespannt.

Bildqualität

Hier lasse ich einfach einmal Bilder folgen. Verglichen habe ich die EOS R mit dem 24-105 f4 Objektiv und die Fuji X-H1 mit dem 16-55 f2.8 Objektiv. 
Ich habe grundsätzlich mit möglichst identischen Parametern gearbeitet. An der EOS R habe ich immer 2 Blendenstufen höher eingestellt, um etwa die gleiche Wirkung hinsichtlich der Schärfentiefe zu haben und um auch immer gleich stark abzublenden. Ist nun sicherlich keine wissenschaftliche Vorgehensweise, aber…

Update: Ich wurde freundlich darauf hingewiesen, dass mir an dieser Stelle ein Lapsus unterlaufen ist. Anstatt zwei Blendenstufen, hätte ich nur eine Blendenstufe aufschlagen dürfen. Vielen Dank an die aufmerksamen Leser! Der Gesamteindruck bleibt aber dennoch ausreichend anschaulich.  

In Lightroom habe ich kaum nachbearbeitet. Ich habe nur geschaut, dass die Histogramme bei beiden Motiven sich in etwa ähneln und entsprechend etwas an den Reglern gedreht. Farbkorrekturen habe ich keine Vorgenommen, ausschliesslich hinsichtlich Belichtung, Tiefen und Lichtern.

Gegenüberstellung der Fotos

Auffällig sind zwei Bilder: Auf dem Strommast sind die Vögel bei der EOS R recht unscharfe. Ich vermute, hier hat der Fokus einfach nicht so recht gesessen. Bei dem Bild mit dem Teddy macht die EOS einen erstaunlich schwachen Eindruck gegenüber der X-H1. Auch mit stärkerer Nachbearbeitung ist das Fuji-Bild gefällig, trotz kleinerem Sensor.

Resümee

Mir geht es in diesem Artikel nicht darum, eine Empfehlung für die eine oder die andere Kamera auszusprechen. Beides sind fantastische Kameras. Mit der EOS R werde ich gerade erst warm, habe aber bereits einige sehr schöne Treffer gelandet. Ich mag die Farbstimmung der Canon-Bilder mehr. Sie haben etwas wärmeres, natürlicheres (auch wenn Fuji mit den Bildstilen ebenfalls schöne Farbinterpretationen herbeizaubert). Zu Zeiten von Lightroom/Capture One aber eher für JPEG-Shooter interessant. Mit der X-H1 (und davor der X-T2) habe ich ebenfalls Aufnahmen gemacht, die in meiner persönlichen «Hall of Fame» gelandet sind.

Letztlich macht jede halbwegs moderne Kamera großartige Bilder, wenn man gut und gerne damit umgehen kann. Die EOS R ist für mich ein guter Beweis, dass technische Spezifikationen nicht alles sind. Wir sollten als Fotografen mehr aufs Bauchgefühl hören, das eine Kamera in der Hand auslöst. Kompromisse gibt es bei jeder Kamera. Es sollten nur nicht die falschen sein. 🙂

1 Comment

  1. Vielen Dank für die Eindrücke. Tolles Review.
    Überraschend, dass bei diesen Objektiven weniger Unterschied erkennbar ist, als man erwarten würde.

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