Vor vielen Jahren habe ich begonnen, in Evernote meine Ideen festzuhalten. Das waren teilweise kurze Notizen, meist aber längere Texte für Abenteuer verschiedener Pen&Paper Rollenspiel, Recherchen für Artikel und Vorträge, Seminararbeiten und zuletzt meine Bachelorarbeit während des Zweitstudiums. Seminararbeiten schreibe ich nun keine mehr, diese wurden von Unterrichtsvorbereitungen und Schülerdokumentationen abgelöst.
Gründe für den Wechsel von Evernote
Wie bei so vielen alteingesessenen Evernote-Nutzern empfand ich das neue Preismodell als, sagen wir, schwere Kost, gemessen an der Entwicklung der Anwendung. Auch der Datenschutz bei Evernote ist natürlich für mich ein Thema. Das die Notizen seit Ende 2017 von Evernote-Mitarbeitern gelesen werden können «um den Dienst zu verbessern».
Zudem konnte ich mich mit der überladenen Oberfläche mit immer mehr Funktionen, die ich eigentlich garnicht benötige, nicht mehr anfreunden. Ich wollte eine schlanke und schnelle Lösung, deren Interface mich auch anspricht. Ich bin ein visueller Mensch. Die Anwendungen, mit denen ich viel Zeit verbringe, sollen mich ästhetisch ansprechen.
Alternativen zu Evernote?
Also ging ich auf die Suche nach Alternativen. Ausprobiert habe ich die folgenden Anwendungen:
- Apple Notizen: Zu rudimentär (auch mit der aktuellen Version). Zu wenig Verschachtelung der Notizen möglich.
- One Note: Zu viele Funktionen, zu aufgebläht.
- Devon Think: Funktional. Toll. Aber einfach nur hässlich. Ich habe es wirklich versucht, aber solange da mit Version 3 irgendwann mal was fürs Auge geliefert wird, keine Chance. Zumal auch schon zu sehr Dokumentverwaltung als reine Notizapp – aber es wäre ein interessanter Hybrid für zwei Zwecke gewesen.
- Notability: Zu starker Fokus auf handschriftliche Notizen.
- Bear: schlank, hübsch, schnell. Markdown. Kein RTF für einen visuell abhängigen Menschen für mich? Ungewohntes Konzept, Dokumente zu strukturieren.
- Scrivener: Mächtig, aber eigentlich für ein ganz anderes Ziel, zum Schreiben von langen Manuskripten/Romanen. Ich hätte meine alte Lizenz davon zweckentfremden können, aber auch hier war es mir zu viel Ballast an Funktionen, die ich eigentlich nicht benötige.
- Ulysses: Irgendwie ähnlich wie Bear (Markdown), aber mit anderer Herangehensweise an die Dokumentverwaltung.
Natürlich gibt es noch unzählige andere Anwendungen. Mir war vor allem wichtig, dass sie sowohl unter macOS, als auch unter iOS laufen und synchronisiert werden können.
Relativ schnell stellten sich Ulysses und Bear als die ansprechendsten Kandidaten heraus, allerdings benötigte ich eine Weile, deren Vor- und Nachteile, so wie deren Ähnlichkeiten miteinander in Einklang zu bringen und eine sinnvolle Co-Existenz zu ermöglichen. Ausserdem fehlte mir in beiden die Möglichkeit, recherchierte Websites zu sichern und archivieren, wie es Evernote recht praktisch anbietet.
Im folgenden beschreibe ich mein Setting mit den Anwendungen Bear, Ulysses und Pinboard. Dabei handelt es sich nicht um vollständige Beschreibungen der Anwendungen. Ich beschreibe nur die für mich, im Kontext des Notizen/Dokumente Erfassens, notwendigen bzw. interessanten Features.
Bear

Bear hat mich direkt von Beginn an mit der sehr klaren und liebevoll gestalteten Oberfläche angesprochen. Es war meine erste Berührung mit Markdown, aufgrund meiner HTML- und CSS-Kenntnisse war diese Hürde aber schnell genommen. Unterm Strich ist es auch wirklich nicht komplex und erschließt sich jedem Interessierten ohne viel Aufwand.
Handhabung von Bear
Notizen lassen sich schnell erfassen, ohne immer wieder zur Maus wechseln zu müssen. Natürlich sind die Darstellungsmöglichkeiten eingeschränkter als z.B. in Word, aber das ist ja das Konzept von Markup. Inhalt/Semantik und Gestaltung trennen, so wie es bei HTML und CSS der Fall ist. Mit den Optionen, Inhalte fett, kursiv oder ::markiert:: darzustellen habe ich innerhalb des Markdowns ausreichend visuelle Unterscheidung, direkt in der Markdown-Ansicht. Das war mir wichtig, denn Notizen exportieren tue ich nur relativ wenig. Listen und auch Checkboxen für Tasks sind ebenso Ruck Zuck integriert. Im Vergleich zu Evernote geht das Schreiben von Notizen gefühlt drei Mal so schnell. Bei einer kürzlichen «Rückkehr» zu Evernote, um dort auszumisten, viel mir der Unterschied erst richtig auf.
Ungewohnt und nach wie vor nicht ganz glücklich bin ich mit der Organisation der Notizen. Der Entwickler von Bear, Shiny Frog aus Irland, haben sich gegen eine klassische Ordnerstruktur entschieden. Stattdessen werden die Notizen in der Seitenleiste nach Tags sortiert. Jedesmal, wenn in einer Notiz ein Hashtag «#» gesetzt wird, landet das nachfolgende Wort Als Art Kategorie in der Seitenleiste. Diese lassen sich glücklicherweise verschachteln. Dennoch komme ich mit einer klassischen Struktur, wie z.B. in Evernote oder in Ulysses besser zurecht.
Interface
Die schöne Oberfläche habe ich bereits angesprochen. Es gibt es die Möglichkeit, aus verschiedensten Themes zu wählen, von kontrastarm, Nachtmodus, etc.. Mein Favorit ist seit Monaten «Ayu». Als Bear Pro-Mitglied gibt es da noch ein paar mehr oben drauf.
Die Typografie ist stimmig und die Möglichkeit die Icons der Tag-Gruppen in der Seitenleiste individuell festzulegen, erleichtert die Übersicht. Ein thematisch passendes Motiv lässt mich schnell die richtige Kategorie finden.
Toll für einen icon-Fetischisten wie mich. 🙂
Wozu verwende ich Bear
Bear ist für mich die App der Wahl für knappe Notizen, die eher in Stichpunkten gehalten sind. Darunter fallen beispielsweise:
- Computer-Tipps die ich öfter mal benötige und sonst googeln müsste
- Anzeigenbeschreibungen für ebay, wenn ich mal am ausmisten bin
- Fortlaufende Sammlung von Buchtiteln für unsere Schulbibliothek, in der ich Bibliothekar bin.
- Projektideen für die selbständige Tätigkeit
- Spontane Ideen für’s Pen&Paper-Rollenspiel, die ich später konkretisiere
- Notizen bei Konferenzen/Teamsitzungen
- Grobe Tages/Wochenplanungen für den Unterricht
Wobei knapp immer relativ ist. Das können in Einzelfällen auch mal 2000 Wörter sein. Überwiegend sind es aber alles Notizen, die ich nicht dauerhaft in Bear lasse, sondern nach einiger Zeit entweder lösche, oder aber ausformuliert und präzisiert in Ulysses «archiviere». Dazu gleich mehr.
Ulysses

Ulysses hatte ich bereits mit der Version 1 gekauft, als ich an einem Buchprojekt gearbeitet hatte. Allerdings habe ich es nicht wirklich lange genutzt. Erst mit der Suche nach einem Evernote-Ersatz ist es mir wieder auf den Plan gerückt. Ich habe lange überlegt, ob ich mit Ulysses die Lücke zu Evernote schließen kann. Denn während ich bei einfacheren Notizen gut auf weitere Formatierung wie Farbigkeit, Schriftarten etc. verzichten kann, ist es mir bei längeren Texten wichtig. Insbesondere beim Schreiben von Rollenspiel-Abenteuern hatte ich bisher gerne mit Farbmarkierungen für verschiedene Inhalte gearbeitet. Da ich solche langen «Notizen», oder besser Schriftstücke, auch viel an meinem iPad und nicht in gedruckter Form lese, war es für mich wichtig, dass die Bildschirmdarstellung innerhalb der Anwendung gut zu lesen ist. Davon war ich längere Zeit in Ulysses nicht überzeugt. Auch die innerhalb des Textes zu sehenden Markdown-Syntax fördert das Lesen nicht unbedingt.
Letztlich hat ein bestimmtes Feature in Ulysses dafür gesorgt, dass ich mich damit angefreundet habe: Die Möglichkeit, ganz einfach eigene Themes für die Oberfläche zu erstellen. Jedes Markdown-Element kann somit in den Farben und Auszeichnungen der Wahl dargestellt werden. Damit war es mir möglich, eine unaufdringliche aber dennoch visuell klar gegliederte Ansicht innerhalb Ulysses zu schaffen.
Handhabung von Ulysses
Die Handhabung beim Erfassen von Texten ist recht ähnlich zu Bear. Auch hier wird Markdown verwendet. Lediglich die Darstellung unterscheidet sich ein wenig. Als angenehm empfinde ich es in Ulysses, unabhängig von Hashtags eine beliebige Ordner-Struktur (Gruppen) in der linken Seitenleiste zu erstellen, innerhalb derer ich einzelne Blätter zum jeweiligen Thema zusammenlegen kann. Es fühlt sich für mich vertrauter und stimmiger an. Die Blätter (einzelne Notizen) innerhalb einer Gruppe lassen sich zudem vielfältiger sortieren als in Bear. Es lässt sich sogar eine eigene Sortierreihenfolge für jeden einzelnen Unterordner erstellen, die sich nicht global auswirkt. Das ist für mich super. Einige Notizen möchte ich nämlich gerne alphabetisch sortiert haben, während ich es bei anderen gerne nach Aktualität hätte.
Ergänzend zu dieser Gruppenstruktur lassen sich auch (farbige) Tags vergeben, die es erlauben, auch ordnerübergreifend nach bestimmten Themen zu suchen.
Stichwort Suche. Diese isst in Ulysses unglaublich mächtig. Ein Schlagwort, nachdem gesucht wird, lässt sich auf nahezu jedes beliebige Einzelelement einschränken: Überschrift 1, Überschrift 2, Link, Betont, …).
Ebenfalls ein ausschlaggebendes Kriterium für mich war der Export der Dokumente. Es lassen sich auch hier eigene Templates für den Export in HTML, ePub, PDF und DOCX erstellen. Hierzu sind allerdings CSS-Kenntnisse notwendig. Dann aber entfaltet sich ein wirklich mächtiges Feature.
Interface
Das Interface ist schlicht, klar und übersichtlich. Im Gegensatz zu Ulysses jedoch puristischer. Bear zeigt hier mehr liebe zum Detail. Während Bear z.B. die Headlines etwas stärker differenziert und Listenpunkte als schöne Bulletpoints darstellt, sind in Ulysses alle Headlines gleich groß, Listenpunkte werden als einfache Anführungsstriche dargestellt, Trenner nicht als schöne lange Haarlinie, sondern nur als ein angedeutetes Strichlein… Kurzum: Die Markdown-Ansicht in Bear strukturiert bereits etwas mehr, Ulysses ist in der Trennung von Inhalt und Gestaltung rigoroser. Aber wie auch in Bear besteht die Möglichkeit, Kategorien und Blätter mit Icons zu kennzeichnen und somit auch visuell zu strukturieren.
Wozu verwende ich Ulysses
Ulysses ist für mich das Programm der Wahl, wenn es um längere Dokumente geht, die ich langfristig speichern möchte und/oder die ich aufgrund ihrer Länge gerne in einzelne Einheiten (Chunks) unterteilen möchte. Das Zusammenfassen einzelner Blätter in Gruppen empfinde ich in Ulysses einfacher als in Bear. Beispiele sind:
- Lernumgebungen für die Schule
- Lokal gespeichertes Schülerdossier (Unterrichtsbeobachtungen, Anmerkungen zur Elternarbeit, Förderschwerpunkte, Lernziele)
- Protokolle des pädagogischen Teams, auf die ich regelmäßig zugreife
- Abenteuer und Charakterkonzepte für meine Rollenspielrunden
- Entwürfe und Artikel für meinen Blog
Die meisten Dokumente belasse ich einfach direkt in Ulysses. Bei Bedarf kann ich aber natürlich schnell ein PDF exportieren, wenn ich z.B. einem Kollegen eine Lernumgebung schicke oder aber ein Abenteuer doch lieber gedruckt am Tisch habe.
Pinboard

Der ominöse Dritte im Bunde. Wozu nun also Pinboard?
Wie Eingangs erwähnt, fehlen Bear und Ulysses die Möglichkeiten, Webseiten zu speichern, wie es der Webclipper von Evernote ermöglicht. Das erledigt für mich, indirekt, Pinboard. [Pinboard] ist eigentlich ein (spartanisch anmutender) Bookmarking-Service, der sich als Geheimtipp etabliert hat, nachdem der Google-Reader 2013 seinen Dienst eingestellt und viele Anwender irritiert zurückgelassen hat. Einige Vorteile von Pinboard sind:
- Schlank und schnell
- Keine Werbung oder Third-Party-Tracking
- Offline-Archivierung von Websites
- Starke Suchfunktion
Da dies hier keine Werbeveranstaltung für diesen Dienst sein soll, beschränke ich mich hier auf die zwei für mich relevante Features:
Offline-Archivierung von Websites
In der Regel bieten Bookmarking-Dienste nur die Option, den Link zu einem interessanten Inhalt zu speichern. Ändert sich der Inhalt oder wird die Seite vom Weg genommen, hat man Pech. Mit den Offline-Archiven, die auf Wunsch automatisch von allen Bookmarks angelegt werden, erledigt sich dieses Problem. Einziger Haken: Um die Offline-Archive zuzugreifen, muss man sich online in seinen Pinboard-Account einloggen. So bequem direkt aus der Notiz-App wie in Evernote ist es nicht.
Starke Suchfunktion
Jedem abgelegten Bookmark lässt sich, unter anderem, eine kurze Beschreibung geben, welche per Volltextsuche durchforstet werden kann. Somit lassen sich auch dann noch relevante Links finden, wenn man deren Inhalt schon garnicht mehr so richtig auf dem Schirm hat.
Tipp: macOS-Software Spillo
Um den Zugang und die Verwaltung der Links und zugehöriger Artikel zu vereinfachen, habe ich mir die Software «[Spillo]» gekauft. Sie schlägt einmalig mit 13€ zu Buche. Wer Pinboard regelmäßig nutzt und dessen sehr sachliche Oberfläche kennt, wird diesen Betrag gerne zahlen. 🙂
Konkreter Umgang mit Links in Bear/Ulysses
Unabhängig des Archivs und des Bookmarks, den ich mir in Pinboard ablege, kopiere ich mir jeweils relevante Links/Inhalte auch direkt in meine Notiz innerhalb von Ulysses oder Bear. Dabei unterscheide ich drei Varianten:
- Ich verlinke ein betroffenes Schlagwort. Per Klick darauf öffnet sich die Website und ich kann den relevanten Text lesen. Das mache ich meist, wenn ich mir Theorie anlesen und diese dann in eigenen Worten wiedergeben möchte, bzw. daraus etwas eigenes schreibe.
- Ich kopiere mir eine kurze Textpassage aus der Website und füge sie als direktes Zitat ein, wenn ich weiß, dass ich sie exakt so verwenden werde.
- Ich kopiere mir die Textpassage und füge sie an der passenden Stelle in meinen Artikel/Notiz als Kommentar ein. Das mache ich, wenn ich genau weiß: Diesen Abschnitt möchte ich inhaltlich gerne verarbeiten, aber in eigenen Worten ausdrücken. Das Einfügen als Kommentar verhindert, dass ein urheberrechtlich geschützter Text, versehentlich veröffentlicht wird. Kommentierte Stellen in Bear oder Ulysses werden bei einem Export nämlich ignoriert.
Kostenfaktor
Wer es geschafft hat, meinen langen Roman bis hier her zu lesen: Jetzt kommt die Ernüchterung. Alle hier erwähnten Lösungen kosten etwas. Jährlich.
Bei manch einem werden die Alarmglocken schrillen. Abo. Die Seuche unserer Zeit. Ich sehe in Abo-Modellen sowohl das Gute als auch das Schlechte. Eine Ausführung hierzu spare ich mir an dieser Stelle.
Mir persönlich sind die drei Dienste die jährlichen Kosten wert. Jede der dahinterstehenden kleinen Firmen hat ein tolles Produkt auf den Markt gebracht, das sie kontinuierlich und regelmäßig verbessert. Konkret bedeutet es preislich:
- Bear: Kostenlos bzw. 16€ im Jahr für Pro-Features wie Synchronisierung zwischen Geräten. Also, im Grunde 16€ und nicht kostenlos… 😉
- Ulysses: 39,99 im Jahr / 23,98 im Jahr für Studenten / 29,99 im Jahr für Bestandskunden von vor Abo-Zeiten.
- Pinboard: Kostenlos. Die Archivierungsfunktion kostet allerdings 25$ im Jahr.
Das sind, wenn man die Archivierungsfunktion von Pinboard mal raus rechnet, maximal 56€ im Jahr, bzw. 4,66€ im Monat. Das ist zwar am Ende der Preis von Evernote, dafür aber investiert in zwei zeitgemäße Anwendungen, die kontinuierlich sinnvolle neue Features bieten, auf die Nutzer hören und deren Feedback umsetzen. Darüber hinaus werden kleine Entwickler unterstützt.
Für mich ein No-Brainer. Zumal es sicherlich den ein oder anderen Anwender geben wird, der diese Trennung in Bear und Ulysses garnicht benötigt und mit einer der beiden Anwendungen alleine klar kommt.
Meine Empfehlung: Einfach einmal ausprobieren. Ulysses lässt sich [14 Tage lang kostenlos testen], die beiden anderen Anwendungen sind in der Basisversion ohnehin mit keinen Kosten verbunden.
1 Comment
Sehr nützlicher Vergleich. Danke sehr.
Warum passiert sonst nichts mehr auf dem Blog oder in dem Twitter-Kanal?