Ankunft in Graz
Nach einer ausgedehnten Zugfahrt mit zahlreichen Verspätungen (ohne geht’s eben nicht), dafür entschädigt mit einer traumhaft verschneiten Berglandschaft in Zentralösterreich, bin ich heute Mittag in Graz angekommen und wurde direkt freundlich von Cornelia Karl, “Miss video2brain”, in Empfang genommen. Im Büro angekommen standen erst einmal diverse organisatorische Dinge an, bevor es dann direkt ins Tonstudio ging um mich mit der Technik vertraut zu machen. Zum Toncheck gab es eine ganz frei interpretierte Version von Hänsel und Gretel, letztere als Supernanny.
Nach den ersten Ansätzen fällt auf, das der dezente Perfektionismus, den ich mir bei den Photozauber Videotutorials während der Produktion auferlege in der professionellen Umgebung nicht weniger wird. Ein Umstand den ich mir, auch auf Anraten von Cornelia, unbedingt abgewöhnen sollte, wenn ich “die Postproduktion nicht arbeitslos machen will”. Ich werde später mit Anfänger-Sprungübungen über den Schatten beginnen. Im Dunkeln.
Morgen kommt René hinzu und die Produktion wird volle Fahrt aufnehmen. Ich bin neugierig, gespannt und höchst motiviert auf die kommenden Tage und hoffe, auch von Graz noch ein wenig Kultur mitzunehmen. Meine Kamera maunzt mir aus dem Schrank schon vernachlässigt zu. Jetzt gibt es erst mal eine Gesprächsrunde mit meinem Autoren-WG-Mitbewohner aus Frankreich. Wenn sich schonmal die Möglichkeit bietet, sein Französisch abzustauben. Nur schade, dass er am Mittwoch bereits wieder abreist, dann gibt es Ablöse durch einen Spanier.
Vier Quadratmeter
Inzwischen ist knapp eine Woche seit meiner Ankunft vergangen. Eine Woche, in der meine Welt auf magere 4 Quadratmeter zusammengeschrumpft ist. Mein (fast) einziges Kommunikationssignal nach Außen ist eine rote Lampe, die nahezu im Dauereinsatz signalisiert: “Nicht stören! Aufnahme!”
Früh Morgens von ca. 8 Uhr bis Abends gegen 22/23 Uhr sitze ich in meinem schallisolierten Kämmerlein und rede und rede und rede. Das tue ich zwar in der Regel auch gerne im täglichen Leben, aber da bekomme ich zumindest das Gefühl vermittelt, mir würde jemand zuhören. Ich werde wohl morgen meiner “Studioorange” ein Edding-Gesicht verpassen. Wenn das Kugelding schon seit Tagen da rum liegt, kann es mich gefälligst auch angrinsen.
Durch das viele Reden ist man auch gezwungen, sehr, also wirklich seeeehr viel zu trinken. Der Mund und die Lippen werden schnell trocken, was sich dann in der Aufnahme in einem leicht schmatzenden Geräusch äußert, das die Post-Production nur schwer entfernen kann. Deswegen also: Viel viel viel trinken. Das hat aber einen tollen Nebeneffekt. Man muss auch sehr sehr sehr oft austreten. Frischluft. Bewegen. “Kammer-Ausgang”. Da fühle ich mich auf einmal sehr feminin, was meine Blase betrifft- aber das ist toll… vorübergehend.
Einmal am Tag gibt es auch eine Extrapause, meist nach dem Routine-Mittagessen in der Autoren-WG. 3 Scheiben Brot mit „Türkenkäse“, also einer Familienpackung Scheibenkäse vom Kiosk an der Ecke, der René und mich bereits seit einer Woche versorgt und immer noch nicht ganz aufgegessen ist. Und schimmeln tut er auch noch nicht! Ich frage mich, ob da neben Konservierungsstoffen auch noch wirklicher Käse drin ist. In dieser Extrapause spiele ich dann eine Runde Plants vs. Zombies auf dem iPhone. Großartiges Spiel!
Nachdem es die ersten Tage mit der Produktion nur sehr schleppend voran ging, was unter anderem an den eher theoretischen Inhalten lag, ging es die letzten beiden Tagen mit den Workshops dann recht flott. Ich habe nicht mitgezählt, wie oft ich “wählen Sie jetzt”, “aktivieren Sie jetzt” etc. vor mich her gebrabbelt habe. Dann gibt es natürlich auch die Phasen, wo der Wurm einfach drin ist und ein Versprecher nach dem anderen kommt und man entweder zum 20sten Mal das Video komplett neu aufnimmt, oder 50% des Videos nur aus dem Begriff “nochmal”, also der Anweisung an die Post-Production, den vorangegangenen Teil durch den folgenden zu ersetzen, bestehen. Ich bin mir sicher, mir geht es da im richtigen Leben bald genauso wie Rebekka Strauß die hier gerade parallel Videos zu Aperture 3 aufnimmt. Wie sagte Sie doch gleich: Wenn Sie sich im Gespräch mit wem verspricht, sagt Sie ganz automatisch auch schon “nochmal”. Auch darüber hinaus ist hier gerade Trainer-Prominenz angesagt. Maike Jarsetz, Olaf Giermann, Uli Staiger, nur um ein paar zu nennen.
Heute war auf jeden Fall einmal ein wenig Entspannung angesagt. Nach einem Vormittag Produktion ging es endlich mal raus in die Frischluft und Sonne um Graz mit der Kamera zu erkunden. Insgesamt eine tolle Stadt, nicht umsonst war sie 2003 europäische Kulturhauptstadt. Insbesondere die Ecke am, um und auf dem Schloßberg hat es mir bei dem recht milden Wetter angetan.

Morgen geht es dann mit dem Endspurt weiter. Noch zwei, drei Teilkapitel, dann ist der Käse gegessen. Alle beide. Auch der türkische. 🙂 Dann geht es wieder zurück nach Leipzig. Artikel-Serie schreiben für die Digital Photo PHOTOSHOP. Und dann in den Urlaub. Andalusien. Der erste Urlaub seit über drei Jahren.
Licht aus!
Das war es nun also. Licht aus. Meine ganz persönlichen Kammerspiele (ich entschuldige mich für diesen lausigen Wortwitz) sind nach exakt einer Woche vorbei.

In einem Endspurt am Montag habe ich noch meine letzten Kapitel aufgenommen und danach mit einem hohen Maß an Zufriedenheit und noch mehr Wohlgefallen die zwei Schalter umgelegt, die ich so unzählige Male gedrückt habe. Rote Lampe aus. Zimmerlampe aus. Diesmal nicht nur für ein paar Stunden, sondern länger. Bestimmt nicht für immer, aber zumindest für die nächste Zeit.
Alles in allem war es eine sehr spannende, wenn auch anstrengende Erfahrung die in den größten Zügen auch Spaß gemacht hat. Schimpfphasen, in denen man aus Leibeskräften in der Kammer über Dies und Das flucht, mit dem befreienden Wissen, das niemand diese Gefühlsausbrüche mitbekommt (mein Studiofenster zeigte mich nur von hinten. Zudem hatte ich das letzte Studio im Gang, noch von einem weiteren Nebenzimmer getrennt, also wenig Durchlaufverkehr), gehören natürlich dazu. In diesen Momenten fragt man sich dann „Warum machst Du Volldepp das eigentlich“. Diese Momente vergingen aber immer recht zügig. Zudem hatte ich mit Cornelia Karl von video2brain, eine tolle Ansprechpartnerin, die immer mit guter Laune zur Seite stand und die stets das Gefühl vermittelte, nicht nur Autor zu sein der die Produktpalette erweitert, sondern vor allem auch Mensch. Dafür an dieser Stelle von mir ein großes Dankeschön.
Es ist erstaunlich, wie viel Videomaterial in den letzten Tagen von René und mir produziert wurde. Während der Aufnahme nimmt man das gar nicht so genau wahr. Gestern früh beim prüfen unserer Übersicht haben wir alle dann aber doch ganz schön gestaunt. Darum also: Gegenseitig die Schulter klopfen, der Post-Production ganz viel Spaß damit wünschen, setzen und weiter machen.
Die Heimfahrt zurück nach Leipzig ging mit halbtägigem Zwischenstopp über Wien. Wow. Trotz miesem Wetter war ich mehr als beeindruckt als ich am Volksgarten aus der U-Bahn geklettert bin. Weniger beeindruckend war dann hingegen die Fhrt mit dem Schlafwagen nach Dresden. Ich hatte das Abteil immerhin für mich alleine (ich frage mich, wie drei Leute darin Platz finden sollen…) aber der Zug hat so geschaukelt, gewackelt, gerattert und gequietscht dass ich vermutlich eine Stunde geschlafen habe… optimistisch betrachtet. Immerhin war ich jetzt auch einmal in Prag- auch wenn ich nur den hintersten Teil eines abgelegenen Gleises gesehen habe.
Nun also wieder back to usual. Für zwei Tage. Am Montag geht es in den Urlaub nach Andalusien, vorgezogenen Frühling genießen.
Achja, das Bild meiner Studio-Orange bin will ich nicht schuldig bleiben. 🙂
