Design

Das Photoshop CC Inferface-Desaster

Die aktualisierte Benutzeroberfläche sorgt für eine übersichtliche und einheitliche Anzeige von Photoshop auf allen Geräten. Auf Geräten mit Touch-Bedienung wie dem Microsoft Surface Pro sind Routineaufgaben dank neuer Fingergesten schnell erledigt.

Mit diesem Werbetext lobt Adobe den aktuellen November-Release von Photoshop CC (2015.1). Klingt toll. Aber dabei bleibt es auch. Das neue UI von Photoshop ist nicht weniger als ein Desaster und ein Schlag ins Gesicht eines jeden professionellen Anwenders.

Die Schwächen des neuen User Interfaces

Kurz vorweg: Ich arbeite seit 1997 mit Photoshop. Die Anwendung war immer mein Steckenpferd und ich habe Adobe-Produkte wirklich geliebt, aber was der Konzern aus den USA in den letzten Jahren liefert, ist erschreckend.

Mangelnder Kontrast

Der Hauptkritikpunkt an der neuen Oberfläche (Galerie am Ende des Artikels) ist der Verlust an Übersichtlichkeit und Änderungen etablierter Symbolsprache. Die UX-Design-Abteilung, die sich der Überarbeitung angenommen hat, war scheinbar der Ansicht, dass Kontraste ein überholtes Stilmittel seien und ein übertriebener Flat-Look nun auch zwingend in einer professionellen Anwendung Einzug halten müsse. Apple und Google haben es im Consumer-Bereich, vor Allem innerhalb der mobilen Betriebssysteme Android und iOS, ja vorgemacht. Also kann das nun auch in eine Profi-Software.

Der Unterschied ist jedoch, dass ich auf meinem Handy nicht 8+ Stunden am Tag arbeite und mich schon alleine aus Gründen der Effizienz und Produktivität schnell zurechtfinden muss. Zudem bieten Apple und Google anhand von Farbkontrasten visuelle Unterstützung. Adobe hingegen verbannt auch die Farbe aus dem Interface-Portfolio. „Grau ist geil“ scheint das neue Credo in San José zu sein. Ein Beispiel: Markierte Ebenen in der Ebenenpalette heben sich nun in einem dezenten Grau vom Hintergrund ab. Dieser ist, genau, ebenfalls in einem dezenten Grau. In vorherigen Versionen war dies immerhin noch ein klares Blaugrau, das die aktive Ebene schnell erkennen ließ. Auch Eingabefelder sind nur noch sehr schwer als solche zu erkennen. Eine dünne Linie soll als Indikator ausreichen.

Ansicht des Tiefen-Lichter Dialogs und der Zeichen und Absatzpalette in Photoshop CC 2015
Viele Menüs sind unter aufgrund fehlender „richtiger“ Eingabefelder sehr unübersichtlich geworden.

Ungenügende Abstände

Ebenfalls auffällig ist die Tatsache, dass viele Elemente sehr klein und mit einem kaum vorhandenen Abstand zu benachbarten Objekten platziert wurden. Das ist einerseits aus ästhetischer Sicht schwer nachvollziehbar, aber auch aus Usability-Sicht. Die Klickflächen werden kleiner und man muss präziser anwählen, um nicht versehentlich ein falsches Element auszuwählen bzw. zu aktivieren. Warum nach 25 Jahren Photoshop gerade heutzutage, wo Computermonitore eher groß und mit üppiger Auflösung ausgestattet sind, auf solche Platzsparmaßnahmen zurückgegriffen werden muss, ist mir unerklärlich. Vielleicht liegt es an dem, von Adobe extra betonten, Augenmerk auf Touch-Devices. Aber ernsthaft: Welcher professionelle Anwender nutzt Photoshop tatsächlich mit dem Finger?

Die Anwender sind genervt

Mit meiner Meinung reihe ich mich letztlich nur in die Riege der genervten Photoshop- bzw. Adobe-Anwender ein. Auf mehreren Seiten im Web sind hitzige Diskussionen entbrannt (z.B. Photoshop.com oder drpreview). Kaum ein gutes Haar wird, zu Recht, an dem neuen Release gelassen. Unzählige konkrete Beispiele in Text und Bild belegen diesen peinlichen Faux-Pas. Und kaum einer der Nutzer hat nicht zügig einen Roll-Back zur alten Photoshop-Version gemacht.Photoshop selber hat nach über zwei Monaten der Diskussion noch keine Stellungnahme zu der Diskussion abgegeben. Vermutlich wird dies auch nicht geschehen. Die Arroganz, mit der Adobe zunehmend auftritt, wird immer unerträglicher. Auch wenn ich seinerzeit froh war, dass Adobe Macromedia aufgekauft hatte (Freehand, Flash, Fireworks…) und nicht anders herum, wünsche ich mir derzeit eine ernsthafte belebende Konkurrenz auf dem Markt. Serif scheint mit der Affinity-Reihe in dieser Hinsicht vieles richtig zu machen. Persönlich bin ich bereits dabei, mich Schritt für Schritt neu zu orientieren. 2017 erscheint noch ein InDesign-Pendant, dann wäre die Creative Suite in der Theorie für mich ausreichend abgedeckt.

Letztlich bin ich mehr als froh, nicht mehr beruflich auf die Adobe-Anwendungen angewiesen zu sein. Denn es tut mir wirklich im Herzen weh, wie sehr mein einst so geliebtes Photoshop mehr und mehr an die Wand gefahren wird.

Rollback der Version

Für alle Benutzer, die gerne von der 2015er-Version zurück möchten, lässt sich dies über das Creative-Cloud-Menü erreichen. Dazu wird der kleine blaue Link „Vorige Version“ angeklickt und anschließend „Bisherige Versionen anzeigen“ ausgewählt.

Wenn Du nun den Button „Install.“ neben einer Anwendung klickst, erhältst Du die Möglichkeit, z.B. auf CC 2014 downzugraden. Ob der Verlust der neuen Features ein Gegenargument hierzu darstellt, musst Du natürlich selber entscheiden.

Screenshot des Creative-Cloud-Menüs
Im CC-Menü lässt sich die Installation von älteren Versionen aktivieren.

Vergleich Photoshop CC2014 und 2015

Die nachstehende Galerie zeigt einige der Interfaceunterschiede im kommentierten Vergleich. Sind dir weitere zeigenswerte Unterschiede aufgefallen? Schreibe mir eine kurze Nachricht, dann nehme ich die Screenshots gerne mit in die Galerie auf.

Was dich zu diesem Thema interessieren könnte:

  • Affinity. Sehr gute Alternativen zu Photoshop und Illustrator von Serif (und bald InDesign).

Was ist Deine Meinung?

Welche Erfahrung hast Du mit der neuen Benutzeroberfläche gemacht? Ist sie für dich ebenfalls ein No-Go oder empfindest Du die Kritik als übertrieben?

2 Comments

  1. Meine Meinung ist, dass das neue Interface besser und moderner aussieht – das war es aber auch. Für mich als professionellen Anwender (seit 1994) ist es wichtig Werkzeuge und Eingabefelder aus dem Augenwinkel zu erkennen, um schnell arbeiten zu können, weil ich nicht nach Zeit, sondern nach Leistung bezahlt werde. So dauert jede Aktion eine geschätzte halbe Sekunde länger. Das klingt nicht nach viel, summiert sich aber, wenn man den ganzen Tag damit arbeitet auf ein paar Minuten am Tag, ein paar Stunden im Monat und damit ein paar Tage im Jahr …
    Das ruiniert mich nicht, ist aber ärgerlich.
    Du hast das neue interface m.E. gut analysiert. Erwähnen möchte ich noch, dass mich die fehlenden Unterteilungsstriche auf der Werkzeugpalette stören. Die jetzt fehlende sinnvolle Gliederung kostet einfach Zeit und auch Shortcuts helfen nicht, wenn man ein „Unterwerkzeug“ (nennt sich das so?) anwählen will.
    Bis auf weiteres arbeite ich mit der 2014er Version weiter und beobachte den Markt.

  2. Hallo Olaf,

    danke dir für Deine Meinung. Ich sehe das identisch. Es ist nicht so, dass man sich garnicht zurecht findet. Gerade als alteingesessener Anwender weiß man ja an sich intuitiv, wo sich was befinden sollte, aber es dauert eben alles, wie Du treffend schreibst, einen Bruchteil länger. Und das kann im Alltag dann eben schon einiges ausmachen, in Summe.

    Aber so wie ich diverse andere Diskussionen zur 2015er-Version im Netz verfolge ist das UI tatsächlich das geringste Problem. Bei einer zunehmenden Anzahl Usern scheint es wohl zu massiven Performanceeinbrüchen zu kommen, wenn das Lineal eingeblendet ist… (https://forums.adobe.com/thread/1874889?tstart=0)

    Ich bin weiterhin mit CC2014 glücklich und teste parallel mit Affinity Photo. Noch ist es kein richtiger Ersatz für mich, aber ich hoffe das kann eine ernsthafte Alternative und damit wieder ein Mitbewerber auf dem Markt sein, so das Adobe sich endlich mal wieder anstrengen muss.

    Man wird sehen. 🙂

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